Fünf Jahre Haft für Blasphemie

Seit einem Jahr in Haft: Abd el Rahman

Ein Post auf Facebook wurde ihm zum Verhängnis. Nun sitzt der 22-jährige Ägypter Abd el Rahman im Hochsicherheitsgefängnis in Gamasa. Dieses zählt zu den schlimmsten Gefängnissen in Ägypten.

Abd el Rahman ist Anfang 20 und studiert Informatik an einer ägyptischen Hochschule. Neben seinem Studium ist er ein begeisterter Leser und beschäftigt sich gerne mit anderen Ländern und Kulturen. Wie viele junge Menschen ist er auch auf Facebook aktiv und postet regelmäßig. Doch am 12 November 2020 verfasst er einen Beitrag, welcher sein Leben für immer verändern wird:

„Er hätte nie erwartet, dass sein Post so stark trendet. Nur einen Tag später versammelten sich über 20 Personen aus seinem Wohnort vor seiner Haustür. Sie suchten nach ihm und wollten ihn angreifen.“ erzählt Ibrahim, ein Freund von Abd el Rahman.

Ein befreundeter Nachbar habe Abd el Rahman gewarnt, worauf dieser hätte fliehen können. Der Nachbar habe die aufgebrachte Menge auch davon überzeugen können, dass Abd el Rahman nicht zu Hause sei. Nachdem er eine Nacht bei einem Freund verbrachte, erfuhr er, dass die Polizei auf der Suche nach ihm seine Wohnung durchsucht hatte.

„Muslimische Freunde und Familie wandten sich von ihm ab. Bis auf wenige Ausnahmen hatten andere Freunde, welche Ex-Muslime sind, Angst davor mit ihm in Kontakt zu treten. Die Polizei nahm sogar kurzzeitig den befreundeten Nachbarn fest, der ihn gewarnt hatte.“ so Ibrahim.

Abd el Rahman stellt sich schließlich der Polizei mit der Absicht sich für seine Aussagen zu entschuldigen. Er wurde festgenommen und inhaftiert.

Vor Gericht wurde er nach den ägyptischen Blasphemiegesetzen zu fünf Jahren Haft verurteilt. Sein Appell an das Gericht mit der Bitte, seine Haftzeit zu verkürzen, wurde abgelehnt.

Abd el Rahman sitzt derzeit im Hochsicherheitsgefängnis Gamasa. Dieses Gefängnis taucht mehrfach in einem Report auf, welcher im Rahmen des Universal Periodic Review (UPR) an den UN-Menschenrechtsrat übermittelt wurde. Hier wird es als eines von zehn ägyptischen Gefängnissen aufgelistet, in welchen es zu Missbrauch und grausamer Behandlung kam. Zudem wurden dort Fälle dokumentiert, wo Häftlinge in Isolationshaft genommen wurden.

Leider bekommt man von Abd el Rahmans Haftbedingungen nicht viel mit. Seine Freunde haben Angst davor, sich mit einem Besuch selbst zu gefährden. Ibrahim weiß nur zu berichten, dass es Abd el Rahman nicht gestattet ist einen Computer zu haben und Bücher zu lesen, weshalb er sein Informatikstudium im Gefängnis nicht fortführen kann.

Doch wie konnte es so weit kommen? Was muss ein 22-jähriger Student schreiben, um so behandelt zu werden?

„Nehmt die Situation doch nicht so ernst“

Im November 2020 herrschte in der islamischen Welt eine angespannte Stimmung gegenüber Frankreich. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte zuvor auf der Gedenkfeier für Samuel Paty zu einem Kampf gegen den radikalen Islamismus aufgerufen. Der Lehrer Paty hatte im Unterricht Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt und wurde deshalb von einem islamistischen Attentäter ermordet.

Der Aufruf Macrons und die erneute Debatte um die Mohammedkarikaturen waren in vielen islamischen Ländern das Thema in Presse, Politik und den sozialen Medien. So gingen in Bangladesch zehntausende Demonstranten auf die Straßen, das iranische Außenministerium bestellte den Geschäftsträger der französischen Botschaft in Teheran ein und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan rief zu einem Boykott französischer Waren auf.Abd el Rahman teilte die allgemeine Ablehnung Frankreichs nicht. Am 12.Novermber 2020 schrieb er auf Facebook „Vergesst Mohammed. Warum macht ihr so eine große Sache daraus?“ (übersetzt aus dem Arabischen). Auf diesen Post bekam er über sechzehntausend negative Reaktionen. Früher wurden seine Beiträge nur von seinen Freunden gelesen, doch nun gab eine regelrechte Hasskampagne gegen ihn. Ein Nutzer kommentierte seinen Beitrag mit „Warum tötet ihr ihn nicht? Könnt ihr nur über Macron schimpfen?“. Doch der Hass dieser Kampagne blieb nicht auf Facebook, sondern fand den Weg ins echte Leben. Er gipfelte darin, dass sich ein Mob vor seinem Haus versammelte und schließlich in seiner Inhaftierung.

Quellen:

Situation in Gamasa:

https://uprdoc.ohchr.org/uprweb/downloadfile.aspx?filename=6943&file=EnglishTranslation

Situation islamische Welt/Frankreich:

https://www.dw.com/de/in-der-islamischen-welt-w%C3%A4chst-die-wut-gegen-frankreich/a-55413727

https://www.dw.com/de/frankreich-neue-drohungen-mohammed-karikaturen-enthauptung-lehrer-paty-staatsakt-macron-islamismus/a-55347088