Ein Gastbeitrag von Mohamad Hosein Tavasolli
Der Iran ist eines von 12 Ländern, in dem beim Abfall vom islamischen Glauben die Todesstrafe droht. Mohamad Hosein Tavasolli mussten deswegen aus dem islamischen Gottesstaat fliehen. Dennoch wurde sein Asylantrag abgelehnt, seine Abschiebung wurde lediglich ausgesetzt.
Mit 16 Jahren Atheist und damit Fremdkörper im islamischen Gottesstaat Iran
Ich bin in einer gut situierten, offenen und liberalen Familie in Shiraz aufgewachsen, die moderat religiös war. Mit ca. 16 Jahren (2012) habe ich für mich konstatiert, dass ich nicht mehr an einen Gott glauben kann und ich damit Atheist bin. Im Alter von ca. 18 Jahren (2014), habe ich regelmäßig an Treffen einer Gruppe von vertrauenswürdigen gleichgesinnten Atheisten teilgenommen. Nachdem ich während einer Autofahrt telefonisch erfahren habe, dass einer unserer Gruppentreffpunkte vom iranischer Sicherheitsdienst Etelat durchsucht wurde bin ich sofort untergetaucht und habe mich bei Freunden in einer weiter entfernten Stadt versteckt. Ein Freund hat für mich innerhalb von 10 Tagen einen gefälschten Pass mit Visum besorgt, mit dem ich am 15.12.2015 vom Flughafen Khomenei in Teheran nach Athen fliegen konnte. Von dort bin ich weiter nach Düsseldorf geflogen und am nächsten Tag in Deutschland angekommen. Seitdem läuft mein Asylverfahren.
Meine Flucht aus der Islamischen Republik Iran
Die politische Gruppe, in der ich aktiv war, hat das Regime infrage gestellt – darauf antwortet der iranische Staat mit aller Härte. Wir konnten nicht offen darüber reden. Man tauschte sich im Internet aus oder in Gruppen, in denen man sich sicher fühlte. Wer zu viel riskierte, kam schnell ins Gefängnis mit all seinen Folgen.
2015, nachdem manche meiner Mitstreiter verhaftet worden waren, wurde mir klar, dass ich flüchten musste. Ich hatte viel über Deutschland gelesen, besonders wie liberal es ist, wie jeder sich frei bewegen, wie jeder die Religion seiner Wahl annehmen oder auch einfach an keinen Gott glauben konnte. Ich konnte auch nicht mehr „spielen als ob“: Als wäre ich mit dem Regime und der Religionsherrschaft und seinen Vertretern einverstanden. So bin ich nach Deutschland geflüchtet. Hier traf ich leider im Lager und in der Sammelunterkunft wieder meine Gegner, vor denen ich geflüchtet war. Also musste ich sehr aufpassen. Nach langem Suchen bin ich auf eine Gruppe von säkularen Flüchtlingen gestoßen. Mit ihnen kann ich mich austauschen; wir unternehmen Aktionen, um Bürger, die diesen Sachverhalt gar nicht kennen, auf die Lage der Apostaten im Iran, aber auch in der ganzen islamischen Welt aufmerksam zu machen. Die Freiheit, die man in Deutschland genießen kann, wünsche ich allen Menschen auf dieser Welt. Die Proteste im Iran haben mir wieder etwas Hoffnung gegeben: Vielleicht kann es doch noch zu einem säkularen Staat kommen. Sicher ist, dass viele Menschen (vor allem die jungen) nicht mehr unter dem alten Regime und der Religionsherrschaft leben wollen. Ihr Privatleben soll nicht mehr kontrolliert und eingeschränkt werden.
Ich bin seit 2015 in Deutschland, habe Deutsch gelernt und mich integriert. Ich warte immer noch darauf, dass mein Asylantrag bewilligt wird. Ich habe mich in Deutschland an den Zentralrat der ex-Muslime gewandt um als ex-Muslim Gleichgesinnte zu finden. Auch mit der Hilfsorganisation „Secular in Exile“ bin ich seit 2016 in Verbindung. Nachdem in Köln ein Verein „Säkulare Flüchtlingshilfe e.V. – Atheisten helfen“ gegründet wurde, bin ich auch mit diesem in Kontakt. Es gibt auch in Stuttgart Aktivitäten, die für ex-Muslime von Interesse sind, z. B. von der gbs-Regionalgruppe Stuttgart organisierte Vorträge von Mina Ahadi (1. Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime e.V.) und seit 2018 auch regelmäßige Treffen der Gruppe „Säkulare Flüchtlingshilfe Stuttgart“, wo Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Iran teilnehmen und wir gemeinsam Problem besprechen und Aktivitäten planen.
Ich setzte ich mich für andere geflüchtete AtheistInnen ein und mache auf den Charakter des islamistischen Regimes und auf die Bedrohung von Dissidentinnen und Dissidenten aufmerksam, die im Iran politisch verfolgt und hingerichtet werden.
Von hier aus möchte ich mich auch für die weltweite Umsetzung des Artikels 18 der Menschenrechte einsetzen (Gedanken-, Gewissens-, Religionsfreiheit):
„Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, die Religion oder Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, die eigene Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“
Auf Apostasie antwortet der iranische Staat mit aller Härte. Mir würden im Iran – wenn ich Glück hätte – 20 bis 30 Jahre Gefängnis drohen, möglicherweise würde ich auch gleich hingerichtet werden.
— Mohamad Hosein Tavasolli wurde 1996 im Iran geboren. Er hat eine Ausbildung als Schweißer und eine IT-Ausbildung und war im Iran berufstätig bis zur Flucht. Er war politisch in einer atheistischen Gruppe aktiv und musste ins Exil fliehen, als die Gruppe vom islamischen Regime entdeckt wurde. In Deutschland absolvierte er mehrere Sprachkurse. Aktuell kämpft er um die Anerkennung seines Fluchtgrundes „Atheist/Abfall vom Glauben (Apostasie)“. Sein erster Asylantrag wurde gerade abgelehnt, ein neuer Antrag ist in Vorbereitung. Der jetzige Status ist „Duldung“ und „Aussetzung der Abschiebung“. Hosein Tavasolli hat Sprachkurse besucht und war zeitweise auch beschäftigt. In dem Duldungsbescheid wird ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass „Erwerbstätigkeit nicht (mehr) gestattet“ ist – mit der Begründung, dass eine Verfestigung des Aufenthaltsstatus verhindert werden soll.