Auch in nichtmuslimischen Ländern sind Drohungen und Gewalt gegen Ex-Muslime leider keine Seltenheit. Davon zeugt ein aktueller Fall aus dem Norden Deutschlands.
Flensburg. Der bekennende Ex-Muslim und säkulare Aktivist Amed Sherwan kam gerade aus einem Hauseingang, als er einen Schlag von hinten an den Kopf und die Füße weggezogen bekam und auf dem Boden liegend geschlagen und getreten wurde. Dieser Vorfall ereignete sich am helllichten Tag in Anwesenheit zahlreicher Außenstehender in der Flensburger Innenstadt. Polizei und Krankenwagen war schnell alarmiert und so konnte das Schlimmste abgewehrt werden.
Vorangegangen war eine Auseinandersetzung zwischen dem Täter und Sherwan zwei Tage vorher auf einem Straßenfest in der beschaulichen Hafenstadt. Der Täter hatte Sherwan offensichtlich erkannt und zunächst nur verbal attackiert. Als Sherwan kurz danach sein Handy aus der Tasche zog, um auf der Feier zu fotografieren, beschimpfte der Täter Sherwan erneut und unterstellte ihm, ein Bild von seiner Frau gemacht zu haben. Die Frau bespuckte Sherwan daraufhin und der Mann drohte Sherwan. Zwei Tage später setzte er die Drohung dann um.Sherwan ist als Ex-Muslim im Irak inhaftiert und gefoltert worden und betätigt sich seit seiner Flucht nach Deutschland auch hier als Blogger und Aktivist gegen religiösen Fanatismus und greift dabei auch zu provokativen Maßnahmen. So hat er in 2018 mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Allah is Gay“ im Rahmen des CSD in Berlin für orientalische Vielfalt demonstriert. Bei einer palästinensischen Demonstration in Flensburg diesen Jahres, hatte er mit einem Bild von einem küssenden Juden und Palästinenser mit der Aufschrift „Make Love not War“ für eine friedliche Lösung geworben.
„Ich möchte die Leute wachrütteln und zum Nachdenken anregen“, erklärt Sherwan. „Dafür muss ich manchmal auch dahin gehen, wo es wehtut. Leider sind solche Aktionen auch hier in Deutschland nicht ganz ungefährlich. Aber dass es so eskaliert, hätte ich dennoch nicht gedacht. Der Täter hat ganz offensichtlich nach einem Vorwand gesucht, mich angreifen zu können. Das erschreckt mich schon.“
„Leider sind Drohungen und Gewalttaten gegen Ex-Muslime keine Seltenheit“, erklärt Dittmar Steiner von der Säkularen Flüchtlingshilfe, die sich bundesweit für die Interessen von Menschen einsetzt, die wegen ihres Abfalls vom Glauben zur Flucht gezwungen worden sind. „Hier angekommen stoßen die Menschen aber leider oft auf Unverständnis in der deutschen Gesellschaft. Für viele Menschen in Deutschland ist es nur schwer vorstellbar, dass säkularer Aktivismus solche Reaktionen hervorrufen kann.“
Sherwan betont, dass es ihm bei seinen Aktionen nicht darum geht, antimuslimische Ressentiments zu schüren. „Im Gegenteil, ich will nicht nur Muslime wachrütteln, sondern auch Außenstehende zeigen, dass nicht alle Menschen mit muslimischen Wurzeln fanatische Spinner sind. Viele meiner muslimischen Freunde möchten sich genauso gerne von den starren religiösen Regeln und Vorstellungen ihrer Eltern befreien. Aber die meisten trauen sich das einfach nicht, weil sie Angst davor haben ihre Eltern zu verletzen oder Repressionen und Gewalt befürchten“, erklärt Sherwan.