Zwangsverschleierung

Hintergrund: Protest zum Weltfrauentag 1979 in Teheran

Die bisher größten Proteste gegen die Zwangsverschleierung im Iran begannen, als Vida Movahed (in den Medien bekannt als das „Mädchen von der Enghelab-Straße“) im Januar 2018 ihren Schal an einen Stock hängte, um vor ihrem Haus in Teheran zu protestieren. Ihr Bild wurde zu einer der wichtigsten Schlagzeilen in den Nachrichten geworden. Movahed wurde kurz darauf festgenommen und wegen „Anstiftung zu Korruption und Prostitution durch Entfernung des Hijabs“ zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

In der Zeit vor der islamischen Revolution im Iran war der Hijab optional. Bis 1983 (4 Jahre nach der Islamischen Revolution) gab es kein Gesetz über die Notwendigkeit, den islamischen Hijab einzuhalten.

Das erste Gesetz zum Hijab, Artikel 102 des Strafgesetzbuches, war 1983, das später 1996 als Anmerkung zu Artikel 638 des Islamischen Strafgesetzbuches hinzugefügt wurde. Laut dieser Anmerkung werden Frauen, die ohne religiösen Hijab in der Öffentlichkeit auftreten, zu 10 bis 60 Tagen Gefängnis oder einer Geldstrafe verurteilt.

Nach der Aufhebung der Hijab-Pflicht am 2. Oktober 2019 in Saudi-Arabien, sowie dem Ende der ISIS-Herrschaft in Syrien und dem Irak, wurde die Islamische Republik Iran das einzige Land, das noch obligatorische Hijab-Gesetze durchsetzt. Deren Verletzung wird mit bis zu 72 Peitschenhieben und Freiheitsstrafe geahndet und bezieht auch Aktivitäten in sozialen Netzwerken ein. Die Zwangsverschleierung ist wird zwar auch im Taliban-Regime angenommen, jedoch ist es zu früh um darüber eine Aussage treffen zu können.

Obwohl das Hijab-Gesetz im Iran von den religiösen Führern erlassen wurde, gibt es in religiösen Texten keine Definition von einem korrekten Hijab. Die Grundlage für die Einführung des Hijab im Iran sind politische und ideologische Autorität, da sie den Umfang des Zwangs auch auf nicht-muslimische Minderheiten, Touristen und ausländische Diplomaten ausgeweitet hat. Das ist ein Zustand, der nicht einmal in Saudi-Arabien gilt.

Nur im Iran, in Saudi-Arabien oder im Irak meint man mit „Hijab“ in der Regel einen schwarzen Tschador. In Ägypten, Marokko, Tunesien, Palästina, Jordanien, Pakistan, Afghanistan und Indien bedecken Frauen ihren Körper oder ihre Haare mit hellen Stoffen. Im Nachbarland Türkei ist der Hijab sogar gänzlich optional und es ist auch gesellschaftlich akzeptiert ihn nicht zu tragen.

Der Iran und Saudi-Arabien sind Symbole religiöser Regierungen, aber Riad verlangt von weiblichen Diplomaten oder den Ehefrauen von Staatsoberhäuptern nicht, dass sie den Hijab tragen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel weigerte sich, während ihrer Reise nach Saudi-Arabien einen Schal zu tragen, und reiste in ihrem üblichen Anzug nach Riad.

Angela Merkel besuchte in ihrer 16-jährigen Amtszeit nie den Iran. Sicherlich gibt es dafür weitreichende politische Gründe, aber allein das obligatorische Hijab-Protokoll für ausländische Frauen hätte dies ohnehin nicht zugelassen.

Laut einer im Jahr 2020 vom Goman-Institut veröffentlichten Statistik lehnen 72 % der Iraner den obligatorischen Hijab ab. Dem obligatorischen Hijab hingegen stimmen 15% zu. 58 % glauben nicht an Hijab, während 26,6 % den Hijab grundsätzlich gutheißen. Mehr als 50.000 Befragte nahmen an der Umfrage teil, und etwa 90 % der Befragten lebten im Iran. Die Ergebnisse dieses Berichts spiegeln die Ansichten von Menschen über 19 Jahren wider. Dabei werden die Meinungen der 15 % Analphabeten im Iran bzw. derer ohne Zugang zum Internet nicht eingeschlossen.

Im Mai 2014 startete Masih Alinejad die „My Stealthy Freedom“ Facebook-Seite für Frauen im Iran, auf der Frauen Fotos und Videos von sich posteten und über ihre Erfahrungen mit der fehlenden Kleiderfreiheit für iranische Frauen und ihre Bestrebungen sprachen. Diese Seite hat mehr als 1 Million Follower.

White Wednesdays“ ist eine soziale Kampagne zur Bekämpfung der Zwangsverschleierung in der Islamischen Republik, die 2017 ebenfalls von Masih Alinejad gegründet wurde, um Proteste in den gesellschaftlichen Diskurs und in die Straßen zu bringen. Die Teilnahme an dieser Bewegung besteht darin, dass Frauen und Mädchen gegen das Gesetz der Zwangsverschleierung protestieren, indem sie ihren Hijab von öffentlichen Plätzen im Iran entfernen. Die meisten Videos und Bilder stammen aus dem Iran, einige werden auch aus Saudi-Arabien, wo auch mancherorts der obligatorische Hijab verlangt wird. Darüber wurde in ganz Europa und den Vereinigten Staaten berichtet.

Daraufhin unterstützten Frauen auf der ganzen Welt die Kampagne, indem sie Videos posteten. Zur Unterstützung dieser Kampagne benutzte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Morgan Ortega, den Hashtag White Wednesdays in einer Twitter-Nachricht, in der sie die Inhaftierung von Frauen verurteilte, die gegen die Zwangsverschleierung protestierten.

Obwohl die islamische Regierung stets diejenigen unterstützt, die sich gegen derartige Aktionen stellen und der Widerstand gegen den erzwungenen Hijab zur Verhaftung führt, geht die Einsendung der Bilder an die Kampagne zum „White Wednesdays“ weiter – genauso wie die Seite der „My Stealthy Freedom“ und der Widerstand gegen den erzwungenen Hijab.

Auch die Sanktionen der Regierung gehen weiter. So wurde beispielsweise Shima Babaei bereits mehrfach im Iran festgenommen, unter anderem wegen Widerstands gegen den obligatorischen Hijab, und zu Gefängnis- und Geldstrafen verurteilt.

Was in einem veröffentlichten Video geschah, zeigte dass in einer der Straßen von Qom ein Mullah eine Frau unter dem Vorwand belästigte, ihren Hijab nicht zu beachten. Das veröffentlichte Video zeigt, wie der Mullah während des Streits seinen Stock auf die Frau schlägt und die Frau als Antwort den Turban des Mullahs zertritt. Aber nur die Frau befindet sich derzeit in Haft.

Der erste Auftritt der iranischen Handball-Frauennationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft verdeutlichte einmal mehr die Hijab-Pflicht und ihre Einschränkungen und war mit dem Asyl einer der Spielerinnen einhergegangen. Nach dem letzten Spiel war Shaghayegh Bapiri nicht mehr im Mannschaftslager im Hotel in Valencia erschienen.
Die iranische Handball-Nationalmannschaft der Frauen sagte in einem Video, dass die Gründe für ihr Asyl nicht politisch seien, sondern dass sie diese Entscheidung für ihren zukünftigen Sport und ihre Entwicklung getroffen habe. In den Sozialen Medien wurden diese Äußerungen allerdings stark bezweifelt.

Kimia Alizadeh, ehemaliges Mitglied der iranischen Taekwondo-Nationalmannschaft und Bronzemedaillengewinnerin bei der Olympiade 2016 in Rio, schrieb in einem Instagram-Post nach ihrer Abreise aus dem Iran und dem Grund ihres Asyls in Deutschland: „Ich bin eine von Millionen unterdrückter Frauen im Iran, die vom Regime ausgenutzt werden. Sie nahmen mich mit, wohin sie wollten. Ich trug, was sie sagten. Ich wiederholte jeden Satz, den sie bestellt hatten. Sie konfiszierten mich, wann immer sie es für richtig hielten. Sie haben meine Medaillen dem obligatorischen Hijab und ihrem eigenen Management zugeschrieben.“

Saba Kordafshari ist 22 Jahre alt und wurde im August 2018 erstmals wegen Widerstands gegen die Zwangsverschleierung festgenommen und nach sechs Monaten wieder freigelassen. Die zweite Festnahme erfolgte im Juni 2019 zu Hause. Im September desselben Jahres wurde sie wegen „Verbreitung von Korruption und Prostitution durch die Entfernung des Hijabs und des Laufens ohne Hijab“, „Propagandatätigkeit gegen die Regierung“ und „Vereinigung und Verschwörung zur Begehung eines Verbrechens gegen die nationale Sicherheit“ zu insgesamt 24 Jahren Haft verurteilt.

In Genf bezeichneten UN-Menschenrechtsexperten in einer abgegebenen Erklärung Nasrin Sotoudeh als Frauenrechtsaktivistin und forderten ihre sofortige Freilassung. Das Recht, die Kleidung zu wählen, wurde als eines der Grundrechte der Frau erwähnt. Nasrin Sotoudeh, Mitglied der „Defenders of Human Rights Association”, Mitglied der „One Million Signatures Campaign to Change Discriminatory Laws against Women”, gewann 2008 den „International Human Rights Award”. Nasrin Sotoudeh wurde am 28. Dezember 2010 im Iran wegen fehlenden Hijab vor Gericht gestellt.

Dubravka Šimonović, die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen, sagte, dass die fortgesetzte Inhaftierung von Nasrin Sotoudeh von der Justiz wegen der Verteidigung der Menschenrechte verurteilt und inhaftiert worden sei, insbesondere wegen der Verteidigung von Frauen, die gegen die Zwangsverschleierung gekämpft hatten.

UN-Menschenrechtsexperten gaben bekannt, dass Nasrin Sotoudeh im Juni 2018 zu 38 Jahren Haft verurteilt wurde, unter anderem wegen „Förderung von Korruption und Prostitution“.

Bei allen Anstrengungen, die unternommen werden, um sich dem obligatorischen Hijab zu widersetzen, wird das Auftreten irreparabler Folgen für die Gesundheit der Gesellschaft immer offensichtlicher.

Im Iran sind viele Sportarten wie z.B. Radfahren, die die Teilnahme an der Öffentlichkeit erfordern, für Frauen verboten. Das Fahrradverbot für Frauen im Iran ist so streng, dass selbst Mädchen nicht mit dem Fahrrad zur Schule fahren können. In vielen Ländern ist es üblich, Schüler für Sport zu begeistern, die lange Zeit bewegungslos hinter Klassenzimmerbänken sitzen. Alle Warnungen von Gesundheitsexperten vor den Langezeitfolgen werden von der Regierung ignoriert.

Für das Mullah-Regime des Iran ist der islamische Hijab ein Symbol des Widerstands gegen westliche Länder und zu einer der antiimperialistischen Grundlagen der Islamischen Republik. Der Hijab im Iran ist zu einer roten Linie geworden, an welche sich die Legitimität der Regierung knüpft.